Tornados in Europa - Was ist der aktuelle Wissensstand?

Tornados werden oft nur mit den USA in Verbindung gebracht, sie kommen aber auch in anderen Regionen der mittleren Breiten vor, unter anderem in Europa. Aufgrund der geringen Häufigkeit starker Tornados ist die europäische Bevölkerung nicht besonders sensibilisiert. Viele europäische Wetterdienste unterhalten keine klimatologische Datenbank für Tornados und fokussieren sich nicht auf Tornado-Vorhersagen (Rauhala et Schultz 2009). Tornados sind auch an europäischen Instituten für atmosphärische Wissenschaften kein prioritärer Forschungsbereich. Trotzdem ist die Tornadoforschung von wichtiger Bedeutung. Zum Beispiel kann eine Tornado-Klimatologie sehr nützlich sein, um Hotspots in Europa zu erkennen und meteorologische Bedingungen zu identifizieren, welche die Tornadogenese begünstigen können. Außerdem unterscheiden sich diese Bedingungen je nach Typ des Tornados und sie sind auch nicht zwangsläufig exakt gleich wie in den USA. Ziel dieses Artikels ist es aktuelle Kenntnisse über die Klimatologie von Tornados in Europa zu vermitteln.

Die Tornadoforschung in Europa besitzt eine lange Historie, die hauptsächlich von den Pionierwissenschaftlern Jean Charles Athanase Peltier, Alfred Wegener und Johannes Letzmann vom 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt wurde. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahm die Tornadoforschung in Europa wieder deutlich Fahrt auf mit der Gründung des European Severe Storms Laboratory (ESSL), gefolgt von der Einrichtung der European Severe Weather Database (ESWD ; Dotzek et al. 2009), die meteorologische Extremereignisse registriert. Die erste Tornado-Klimatologie in Europa wurde von Groenemeijer et Kühne (2014) veröffentlicht und basiert auf den Daten der ESWD. Daraufhin haben Antonescu et al. (2016) Datensätze für die meisten europäischen Länder gesammelt und analysiert. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass eine Homogenisierung mit den ESWD-Daten im Gange ist. Darüber hinaus führten Antonescu et al. (2017) eine Studie durch, die sich mit den Auswirkungen von Tornados in Europa befasst.

Abb. 1 : Monatliche Verteilung der Tornados in der ESWD für den Zeitraum von 200 bis 2013. Quelle : Groenemeijer et Kühne (2014).


Im Allgemeinen dauert die europäische Tornadosaison von Mai bis August mit einer maximalen Häufigkeit im Juli (Abb. 1). Die Saison der Wasserhosen (Tornados über einer Wasseroberfläche) ist leicht verschoben und dauert hauptsächlich von Juli bis Oktober (Abb. 1). Diese zeitliche Verschiebung ist wahrscheinlich auf die höhere Wärmekapazität der Gewässer zurückzuführen. Dennoch unterscheidet sich die Hauptaktivität der Tornados je nach Region in Europa. In Mittel- und Westeuropa wird der Peak generell im Hochsommer erreicht, während im Mittelmeerraum das Maximum im Spätsommer und Herbst zu erwarten ist. Die Tornadodichte ist in Nordwestfrankreich, Südengland, Benelux, Deutschland und Norditalien am höchsten. In Europa treten durchschnittlich 200 bis 300 Tornados pro Jahr auf. Darüber hinaus wurde die Verteilung der Tornados untersucht, für die eine Intensitätsbewertung auf der Fujita-Skala durchgeführt wurde. Etwa 70 % der Tornados sind schwach (F0 oder F1), 29 % haben eine starke Intensität (F2 oder F3) und 1 % sind sehr stark bis extrem stark (F4 oder F5). Die detaillierte Verteilung zeigt eine höhere Anzahl von F1-Tornados im Vergleich zu F0-Tornados (Abb. 1), was auf die markante Menge an nicht klassifizierten Tornados zurückzuführen ist (Abb. 1), von denen ein Großteil wahrscheinlich als F0 eingestuft worden wäre.

Zwischen 1950 und 2013 haben europäische Tornados 316 Tote, 4462 Verletzte und etwa eine Milliarde Euro Sachschaden verursacht (vgl. Abb. 2). Die Gefahr durch Tornados ist somit in Europa sehr real und sollte nicht unterschätzt werden, auch wenn das Phänomen nicht so ausgeprägt ist wie in den USA. Daher ist es sinnvoll für nationale Wetterdienste in Europa die Entwicklung eines Konzepts zur Vorhersage des Tornadorisikos in Betracht zu ziehen, obwohl die Vorhersagbarkeit von Tornados sehr begrenzt bleibt (siehe hohe Falschalarmrate in den USA; Brotzge et al. 2011), und dies sollte der Öffentlichkeit auch in einer klaren Art und Weise kommuniziert werden.

Abb. 2: Tödliche Tornados in Europa zwischen 1091 und 2015. Die Anzahl der Todesopfer wird durch den variierenden Kreisdurchmesser dargestellt. Für jedes Land ist der tödlichste Tornado mit der Opferanzahl in Klammern angegeben. Quelle: Antonescu et al. (2017).