Am Abend des 3. Juni 2020 waren mehrere aktive Gewitter über der Südhälfte des Großherzogtums Luxemburg zu beobachten. Über dem Norden von Frankreich bildeten sich im Bereich einer warmen und mäßig feuchten Luftmasse etliche konvektive Zellen, ausgelöst durch Hebung in den unteren Atmosphärenschichten (Windkonvergenz; vgl. Abb. 1). Im weiteren Verlauf sind diese Gewitterzellen mit einer schwachen südwestlichen Strömung langsam in Richtung Luxemburg gezogen. Das Risiko für unwetterartige Begleiterscheinungen war jedoch begrenzt, da die vorhandene Labilität nur mäßig ausgeprägt (CAPE bis 600 J/kg) und die Höhenströmung nicht besonders dynamisch war.
Abbildung 1: Bodenanalyse des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 3. Juni 2020 um 20:00 Uhr Ortszeit. Die orange gefärbten Linien zeigen die Windkonvergenzzonen in Bodennähe.
Gegen 19:40 Uhr Ortszeit wurde jedoch die Bildung einer markanten Gewitterzelle in unmittelbarer Nähe zum Flughafen Luxemburg-Findel durch eine nordwärts ziehende Böenfront (engl. outflow boundary) ausgelöst, die durch kräftige Schauerzellen an der südöstlichen Landesgrenze verursacht wurde (Abb. 2). Dieses Gewitter konnte sich bis 19:55 Uhr Ortszeit rasch verstärken und blieb dabei quasi stationär. Auf den Radarbildern ist diese Intensivierung deutlich anhand der extrem hohen Niederschlagsintensitäten zu erkennen (Reflektivität oberhalb 60 dBZ; Abb. 2, rechts). Entsprechend wurden in Munsbach Hagelkörner mit einem Durchmesser von bis zu 1 cm beobachtet. Außerdem war diese Region während ungefähr 30 bis 40 Minuten von heftigem Starkregen betroffen (Abb. 2, rechts), was zu markanten Niederschlagsmengen führte (Abb. 3a).
Abbildung 2: Niederschlagsradarbild vom 3. Juni 2020 um 19:40 Uhr Ortszeit (links) und Animation der Niederschlagsradarbilder vom 3. Juni 2020 18:30 bis 21:00 Uhr Ortszeit (rechts). Die Böenfront ist durch eine dünne Linie mit niedrigen Reflektivitäten (< 10 dBZ; blaue Farbtöne) gekennzeichnet. Datenquelle: Niederschlagsradar in Neuheilenbach (Deutschland).
An der Wetterstation am Flughafen Luxemburg-Findel wurde zwischen 18:50 und 21:50 Uhr Ortszeit eine Niederschlagsmenge von 28,2 l/m² gemessen, davon fielen 27,0 l/m² zwischen 19:50 und 20:50 Uhr Ortszeit. Die Daten des vom Deutschen Wetterdienst (DWD) entwickelten Analyseverfahrens RADOLAN zeigen sogar stündliche Niederschlagsmengen von 50 bis 75 l/m² in der Region um Munsbach (Abb. 3b). Erstaunlicherweise wurden keine Schäden durch potentielle Überflutungen gemeldet. Da die Messdaten vom Findel gut mit den korrespondierenden RADOLAN-Pixelwerten übereinstimmen (Abb. 3b), erscheint der Extremwert nahe Munsbach durchaus plausibel, obwohl eine leicht Überschätzung des Niederschlags durch die Präsenz von Hagel nicht ausgeschlossen werden kann.
Abbildung 3: (a) Aufsummierte Niederschlagsmengen (in mm) von 18:50 bis 21:50 Uhr Ortszeit. Das schwarz gepunktete Rechteck zeigt die Region an, welche in (b) vergrößert dargestellt ist. (b) Aufsummierte Niederschlagsmengen von 19:50 bis 20:50 Uhr Ortszeit. Die grauen Linien zeigen das Straßennetz. Datenquelle: RADOLAN.
Im weiteren Verlauf zogen die isolierten Gewitterzellen unter Abschwächung nordostwärts ab und dabei produzierten sie eine weitere Böenfront, die sich in eine nordwestliche Richtung verlagerte (Abb. 4). Diese Front löste gegen 22:00 Uhr Ortszeit kräftige Regenschauer über dem Norden des Landes aus (Abb. 4, rechts), die das Gewitterstadium aber nicht erreichen konnten aufgrund der zu schwachen Labilität zu diesem Zeitpunkt.
Abbildung 4: Niederschlagsradarbild vom 3. Juni 2020 um 21:49 Uhr Ortszeit (links) und Animation der Niederschlagsradarbilder vom 3. Juni 2020 21:09 bis 22:59 Uhr Ortszeit (rechts). Die Böenfront ist durch eine dünne Linie mit niedrigen Reflektivitäten (< 10 dBZ; blaue Farbtöne) gekennzeichnet. Datenquelle: Niederschlagsradar in Wideumont (Belgien).