Rückblick auf den ergiebigen Dauerregen vom 14. und 15. Juli 2021

Am Mittwoch, den 14. Juli 2021, und in der Nacht zum Donnerstag, den 15. Juli 2021, traten im gesamten Großherzogtum langanhaltende und teils heftige Regenfälle auf (Abb. 1). Diese ergiebigen Niederschläge führten vor allem in der Nähe der Alzette, der Sauer, der Weißen Ernz und der Schwarzen Ernz zu erheblichen Überschwemmungen. Das großherzogliche Feuerwehr- und Rettungskorps (CGDIS) musste während dieses Extremwetterereignisses mehr als 1.000 Mal ausrücken. Der Krisenstab der Regierung, der auf Anfrage vom Premierminister Xavier Bettel vom Hochkommissariat für nationale Sicherheit (HCPN) aktiviert wurde, traf sich am 15. Juli 2021 um 00:00 Uhr Ortszeit ein erstes Mal, um die Operationen mit den verschiedenen Akteuren zu koordinieren, die Notfallplan im Falle eines extremen Wetterereignisses vorgesehen sind. Auch MeteoLux nahm an den Sitzungen des Krisenstabs teil. Ziel dieses Artikels ist es, die atmosphärischen Bedingungen zu untersuchen, die dieses extreme Niederschlagsereignis verursachten, und die Verteilung der akkumulierten Niederschläge im Land zu analysieren. Außerdem wird kurz auf die Vorhersagbarkeit dieses Ereignisses eingegangen. Es sei darauf hingewiesen, dass eine ausführlichere Analyse in den kommenden Monaten in unserer Rubrik „Publikationen“ veröffentlicht werden wird.

Abfolge der Wetterwarnungen:
  • Gelbe Warnung vor Niederschlägen von MeteoLux am 13. Juli 2021 gegen 07:00 Uhr Ortszeit für den 14. Juli 2021 von 12:00 bis 24:00 Uhr Ortszeit für das ganze Land.
  • Orangefarbene Warnung vor heftigen Niederschlägen von MeteoLux am 14.07.2021 gegen 07:00 Uhr Ortszeit für den Zeitraum 14.07.2021 12:00 Uhr Ortszeit bis 15.07.2021 04:00 Uhr Ortszeit für das ganze Land.
  • Orangefarbene Hochwasserwarnung vom Wasserwirtschaftsamt (AGE) am 14. Juli 2021 gegen 12:00 Uhr Ortszeit für den Süden des Landes für den 14. Juli 2021 von 12:00 bis 24:00 Uhr Ortszeit.
  • Rote Hochwasserwarnung vom Wasserwirtschaftsamt (AGE) am 14. Juli 2021 gegen 17:20 Uhr Ortszeit für das ganze Land für den Zeitraum 14. Juli 2021 17:20 Uhr Ortszeit bis 15. Juli 2021 12:00 Uhr Ortszeit.


Abbildung 1: Animation der Niederschlagsradarbilder (Reflektivität in dBZ) vom 14. Juli 2021 11:00 Uhr Ortszeit bis zum 15. Juli 2021 00:00 Uhr Ortszeit. Datenquelle: Niederschlagsradar in Wideumont betrieben vom belgischen Wetterdienst (IRM).

Großwetterlage

Am 14. Juli 2021 war die synoptische Wetterlage in der Höhe durch ein sogenanntes „Cut off“-Tief mit Schwerpunkt über Süddeutschland und den Alpen gekennzeichnet (Abb. 2a). Der damit verbundene Höhentrog entstand am 7. Juli 2021 über dem Nordosten von Kanada und verlagerte sich anschließend nach Osten über den Nordatlantik hinweg in Richtung Europa. Am 12. Juli 2021 erreichte der Trog Westfrankreich, wo sich seine Bewegung nach Osten deutlich verlangsamte, da er sich vom primären, weiter nördlich gelegenen Jetstream, in dem er zuvor eingegliedert war, abschnürte. Dieses Abtropfen des Höhentroges war vermutlich auf die blockierende Wetterlage (stationäres Hochdruckgebiet) über Nordosteuropa zurückzuführen. Infolgedessen blieb dieses Höhentief zwischen dem 14. Juli 2021 02:00 Uhr Ortszeit und dem 16. Juli 2021 14:00 Uhr Ortszeit quasi-stationär. In den bodennahen Schichten bildete sich unterhalb der Ostflanke des Höhentrogs ein schwacher Tiefdruckkomplex. Am 14. Juli 2021 gegen 17:00 Uhr Ortszeit befand sich ein Tiefdruckkern über Nordwestdeutschland, welcher eine wasserdampfreiche Luftmasse über Nordostdeutschland „anzapfte“ und nach Südwesten transportierte (Abb. 2b).

Abbildung 2: Vorhersage der Großwetterlage am 14. Juli 2021 um 17:00 Uhr Ortszeit vom ECMWF-Modell, welches am 14. Juli 2021 um 14:00 Uhr Ortszeit initialisiert wurde. a) Geopotenzielle Höhe der 500 hPa-Druckfläche (schwarze Linien) und Windgeschwindigkeit auf der 300 hPa-Druckfläche (in m/s, 1 m/s = 3,6 km/h). Die magentafarbenen Linien zeigen die potenzielle Wirbelstärke auf der 300 hPa-Druckfläche. b) Auf Meeresniveau reduzierter Luftdruck (schwarze Linien; in hPa), Wind auf der 700 hPa-Druckfläche (schwarze Pfeile; in Knoten, 1 Knoten = 1,852 km/h) und ausfällbares Niederschlagswasser (in mm). Quelle: ECMWF.

Welche atmosphärischen Prozesse führten zum langanhaltenden und kräftigen Regen?

An der Süd- bis Südwestflanke des Bodentiefs, von Nordrhein-Westfalen (Deutschland) über Luxemburg nach Lothringen (Frankreich), entwickelte sich während der ersten Tageshälfte des 14. Juli 2021 ein sehr stark ausgeprägter Hebungsantrieb. Dieser Antrieb wurde durch den Prozess der sogenannten Frontogenese (Verstärkung des horizontalen Temperatur- und Feuchtigkeitsgradienten durch verschiedene physikalische Prozesse) verursacht, der in diesem Fall anhaltende und ziemlich starke Vertikalbewegungen erzeugte. Ein vertikaler Schnitt durch das Frontensystem zeigt eine von West nach Ost geneigte Frontalfläche am 14. Juli 2021 gegen 20:00 Uhr in der Nähe von Luxemburg mit einem gut definierten Dipol der abwärts und aufwärts gerichteten Vertikalbewegungen (Abb. 3), was auf eine ausgeprägte Aufrechterhaltung der Niederschlagsbildung an der Westflanke der Frontalzone hinweist. Da die Höhenströmung mehr oder weniger parallel zum Frontensystem ausgerichtet war, verblieb das kräftige Niederschlagsgebiet etwa 18 Stunden über der Großregion und verlagerte sich erst im Laufe der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 in Richtung Belgien. In Verbindung mit einem sehr hohen Wasserdampfgehalt in der gesamten atmosphärischen Säule (Gehalt an ausfällbarem Niederschlagswasser > 35 mm; vgl. Abb. 2b) und einer Nullgradgrenze in etwa 3700 m Höhe war die Erzeugung von stratiformem Niederschlag sehr effizient aufgrund des Kollision-Koaleszenz-Prozesses im warmen Bereich der Wolken (> 0 °C), welcher recht hochreichend war. Es ist also wahrscheinlich, dass der warmer-Regen-Prozess eine wichtige Rolle bei der Erzeugung der extremen Niederschläge im Großherzogtum gespielt hat. Darüber hinaus zeigten die Radarbilder zeitweise schmale Bänder intensiveren Regens (siehe Abb. 1), die vermutlich auf mesoskalige Zirkulationen, die im großflächigen Niederschlagsgebiet eingelagert waren, zurückzuführen sind. Zu diesem Thema müssten detailliertere Analysen mit Hilfe von polarimetrischen Radardaten durchgeführt werden.

Abbildung 3: Vertikalschnitt der potentiellen Äquivalenttemperatur (grüne Linien; in Kelvin), der horizontalen Frontogenese (pinke Linien; in Kelvin/100 km/3 Stunden) und der hydrostatischen Vertikalbewegungen (eingefärbte Flächen; in Pa/s) am 14. Juli 2021 um 20:00 Uhr Ortszeit auf Basis der Analyse des GFS-Modells. Die blau gestrichelte Linie zeigt die Nullgradgrenze. Quelle : Tropicaltidbits.

Niederschlagsbeobachtungen

Die quantitative Niederschlagsbestimmung des RADOLAN-Systems vom Deutschen Wetterdienst (DWD) zeigt, dass sich die am stärksten von sintflutartigen Regenfällen betroffenen Regionen vom Süden und Südwesten bis in die östliche Mitte des Landes erstreckten (Abb. 4a). In diesen Regionen sind stellenweise maximale Niederschlagsmengen um 100 l/m² aufgetreten. Der Nordwesten des Landes und die Moselregion blieben von den heftigsten Regenfällen verschont. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Daten des RADOLAN-Systems für die Großregion aufgrund eines Ausfalls des Wetterradars in Neuheilenbach (Deutschland) gegen 23:25 Uhr Ortszeit unvollständig sind. Tatsächlich wurden an den Stationen der Messnetze des Wetterdienstes der Verwaltung der technischen Dienststellen für Landwirtschaft (ASTA) und des Wasserwirtschaftsamtes (AGE) Niederschlagsmengen zwischen 60 und 100 l/m² gemessen (Abb 4b). Die vom Wetterdienst ASTA (AgriMeteo) betriebene Wetterstation in Godbrange hatte zwischen dem 14.07.2021 06:00 Uhr Ortszeit und dem 15.07.2021 06:00 Uhr Ortszeit die landesweit höchste Regenmenge von insgesamt 105,8 l/m² gemessen (siehe Abb. 4b). Dem Wetterdienst der ASTA zufolge entspricht dieser Wert der höchsten plausiblen 24-stündigen Menge, die seit 1851 im Messnetz der ASTA und seinen Vorgängern gemessen wurde. Am Flughafen Luxemburg-Findel verzeichnete MeteoLux einen absoluten Rekord seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1947 mit einer Niederschlagsmenge von 74,2 l/m² über einen Zeitraum von 12 Stunden.

Abbildung 4: a) Aufsummierter Niederschlag (in mm oder l/m²) gemäß RADOLAN am 14. Juli 2021 von 05:50 Uhr Ortszeit bis 23:50 Uhr Ortszeit. Datenquelle: Deutscher Wetterdienst (DWD). b) Aufsummierter 24-stündiger Niederschlag (in mm oder l/m²) gemessen von verschiedenen Wetterstationen in Luxemburg vom 14. Juli 2021 06:00 Uhr Ortszeit bis zum 15. Juli 2021 06:00 Uhr Ortszeit. Beachten Sie, dass nicht alle in den Messnetzen der ASTA und AGE verfügbaren Wetterstationen auf der Karte angezeigt sind. Datenquellen : AgriMeteo, MeteoLux.

Vorhersagbarkeit des Ereignisses

Ab Sonntag, dem 11. Juli 2021, deuteten die numerischen Wettervorhersagemodelle auf die Möglichkeit eines Extremniederschlagsereignisses über den Benelux-Staaten, Nordostfrankreich und Westdeutschland für den Zeitraum vom 13. bis 15. Juli 2021 hin. Allerdings hatten die Vorhersagemodelle zunächst Schwierigkeiten die Lage und die Intensität der Niederschlagsgebiete konsistent zu erfassen, insbesondere über Luxemburg, das aufgrund der nördlichen Strömung stromabwärts der Ardennen und der Eifel lag (Potenzial für orografisch induziertes Absinken im Lee der Mittelgebirge, was die Niederschlagsintensität verringern würde). Die Simulationen der verschiedenen Wettermodelle begannen erst in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli 2021 einheitlicher zu werden. Gemäß den Berechnungen mehrerer globaler und regionaler Wettermodelle, die am Morgen des 14. Juli 2021 zur Verfügung standen, war die Wahrscheinlichkeit für Niederschlagsmengen größer als 50 l/m² in Luxemburg jedoch moderat (Abb. 5a), bzw. sogar sehr niedrig für einen Schwellenwert von 80 l/m² (Abb. 5b). Generell haben die Vorhersagemodelle die kumulierte Niederschlagsmenge über 24 Stunden im Großherzogtum für dieses Ereignis unterschätzt.

Abbildung 5: Wahrscheinlichkeitsvorhersage für eine 24-stündige Niederschlagsmenge > 50 mm (a) und > 80 mm (b) zwischen dem 14. Juli 2021 05:00 Uhr Ortszeit und dem 15. Juli 2021 05:00 Uhr Ortszeit vom Ensemble des ECMWF-Modells, initialisiert am 14. Juli 2021 um 02:00 Uhr Ortszeit. Quelle: ECMWF.