Rückblick auf den Tornado vom 9. August 2019

Am Freitag, den 9. August 2019, zog gegen 17:40 Uhr Lokalzeit ein Tornado über die Ortschaften Rodange, Lamadelaine, Pétange und Bascharage im Südwesten von Luxemburg hinweg. Dabei wurden 19 Personen verletzt und Häuser und Infrastruktur wurden massiv beschädigt (Abb. 1). Eine vorläufige Analyse des European Severe Storms Laboratory (ESSL) ergab eine Intensität F2 auf der Fujita-Skala, was Windgeschwindigkeiten zwischen 180 und 250 km/h entspricht. Die zurückgelegte Distanz des Tornados beträgt gemäß ESSL mindestens 14 km. Zudem handelte es sich um einen Mutlivortex-Tornado (Abb. 1), d. h. der Tornado besaß eine relativ breite Zirkulation mit mehreren Subwirbeln, die um oder innerhalb des Hauptwirbels kreisen [1]. Im Bereich dieser Subwirbel können extreme Windgeschwindigkeiten auftreten [1] [2].

Abb. 1 : (Links) Standbild eines Videos, das in Linger mit Sicht auf Bascharage aufgenommen wurde. Es zeigt den Multivortex-Tornado. (Rechts) Strommasten und Vegetation in Bascharage, die massiv durch den Tornado beschädigt wurden.

Dieser Tornado wurde von einem Superzellengewitter produziert. Dieser spezielle Gewittertyp besitzt einen beständigen und hochreichend rotierenden Aufwind, die sogenannte Mesozyklone. Die Superzelle entwickelte sich östlich von Reims in einem Niederschlagsgebiet, welches sich in einer Tiefdruckrinne vorderseitig einer Kaltfront in Präsenz feuchter und warmer Luftmassen über Nordfrankreich bildete. Darüber hinaus war eine sehr starke Windscherung zwischen dem Boden und 6 km Höhe vorhanden, was die Bildung von Superzellen begünstigte. Diese Gewitterzelle begann sich gegen 17:00 Uhr Lokalzeit zu intensivieren und eine Mesozyklone war auf den Radarbildern an der Südflanke der Zelle zu erkennen (Abb. 2a). Im weiteren Verlauf verlagerte sich das Gewitter mit hoher Blitzaktivität in Richtung Dreiländereck (Athus-Longwy-Rodange). Etwa 20 Minuten später erreichte die Superzelle die belgisch-französische Grenze und die Radarmessungen zeigten eine starke Mesozyklone in den unteren Atmosphärenschichten (Abb. 2b). Die Tornadogenese unterhalb der Mesozyklone begann höchstwahrscheinlich kurz danach im Bereich der französischen Ortschaft Longwy und der Wirbel zog dann mit seiner höchsten Intensität zwischen 17:30 und 17:50 Uhr Lokalzeit über Pétange und Bascharage hinweg (Abb. 2c). Anschließend schwächte sich der Tornado allmählich ab und löste sich auf. Rotation war jedoch weiterhin gegen 17:55 Uhr Lokalzeit in etwa 900 m Höhe nahe Luxemburg-Stadt vorhanden, die auch durch ein Hakenecho in den Radarbildern gekennzeichnet war (Abb. 2d).

Es sei darauf hingewiesen, dass die Zirkulation der Mesozyklone, die auf den Radarbildern zu erkennen ist, nicht die Tornadozirkulation in Bodennähe repräsentiert. Ein operationelles Wetterradar kann einen Tornado nur dann direkt erkennen, wenn dieser sich nah am Radar befindet und die Trümmer massiv aufwirbelt.

Abb. 2 : Bilder der Radialwinde (in Knoten; Bewegung zum Radar hin in grün/blau; Bewegung vom Radar weg in rot/pink; links) und Reflektivität (in dBZ; rechts), gemessen vom Radar des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Neuheilenbach, welche die Entwicklung der tornadischen Superzelle darstellen. Die Zirkulation der Mesozyklone der Superzelle ist umkreist. a) 16:58 Uhr Lokalzeit, b) 17:23 Uhr Lokalzeit c) 17:38 Uhr Lokalzeit et d) 17:53 Uhr Lokalzeit.

Welche Bedingungen sind für die Tornadobildung in Superzellen nötig?

Obwohl die Entwicklung von Tornados in Verbindung mit Superzellengewittern noch nicht vollends von den Wissenschaftlern entschlüsselt wurde, müssen spezielle Bedingungen herrschen, damit die Tornadogense unterhalb der Mesozyklone stattfinden kann (nur 20 % der Superzellen in den USA produzieren Tornados [3]). Zunächst müssen ausreichend Labilität und eine starke Änderung der Windgeschwindigkeit und -richtung zwischen dem Boden und etwa 1 km Höhe vorhanden sein. Des Weiteren spielt der Abwind der Superzelle höchstwahrscheinlich eine sehr wichtige Rolle für die Bildung von Rotation in Bodennähe. Der Abwind sollte im Vergleich zur Umgebung nicht zu kalt sein, somit scheint eine hohe relative Feuchte in den unteren Atmosphärenschichten in Verbindung mit einer tiefen Wolkenbasis die Tornadogenese stark zu begünstigen [4] [5] [6]. Schließlich muss das dynamische Ansaugen durch die Mesozyklone ausreichend stark sein [5]. Diese atmosphärischen Zutaten waren am 9. August 2019 im Südwesten von Luxemburg vorhanden. Außerdem zeigte eine rezente Forschungsarbeit, dass die Tornadogenese generell in Bodennähe beginnt, d. h. der „bottom-up“-Prozess ist entscheidend [7] und nicht der „top-down“-Prozess, welcher in den 1970er Jahren vorgeschlagen wurde.
Jedoch können sich Tornados auch ohne Mesozyklone bilden, nämlich in linear angeordneten Gewittersystemen und im Bereich einer Windkonvergenz unterhalb gewittriger Schauer[8] [9].



Eine detaillierte Analyse dieses meteorologischen Extremereignisses wird in den kommenden Monaten in unserer Rubrik „Publikationen“ veröffentlicht werden.