Rückblick auf die lokalen Unwetter vom 26. Juni 2020

Am Nachmittag des 26. Juni 2020 wurden Gewitterzellen über dem Großherzogtum Luxemburg durch Hebung in den unteren Atmosphärenschichten (bodennahe Windkonvergenz, d.h. die Winde strömen zusammen; vgl. Abb. 1, links) ausgelöst. Dabei waren schwache horizontale Luftdruckunterschiede vorherrschend (Abb. 1, links). Zusehends wurde bis in den Nachmittag hinein von Frankreich her feuchtere Luft über das Land geführt, was zusammen mit der Erwärmung der bodennahen Luft durch die Sonneneinstrahlung zu einer starken Labilität führte (CAPE oberhalb 1000 J/kg; vgl. Abb. 1, rechts). Jedoch war die Höhenströmung nicht besonders dynamisch mit maximalen Windgeschwindigkeiten um 30 km/h bis in etwa 7500 m Höhe (Abb. 1, rechts).

Abbildung 1: Bodenanalyse des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 26. Juni 2020 um 14:00 Uhr Ortszeit (links). Die schwarzen Linien zeigen die Isobaren (in hPa) und die orange gefärbten Linien zeigen die Windkonvergenzzonen in Bodennähe. Ein Vertikalprofil der Atmosphäre am 26. Juni 2020 um 14:00 Uhr Ortszeit für einen Gitterpunkt in der Nähe von Luxemburg-Stadt (mit Pfeil angedeutet) berechnet vom numerischen Wettermodell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW), das am 26. Juni 2020 um 02:00 Uhr Ortszeit initialisiert wurde (rechts). Die rote/grüne Linie zeigt die Temperatur/den Taupunkt, die schwarz gestrichelte Linie zeigt die Aufstiegstrajektorie eines bodennahen Luftpakets und die vorhandene CAPE (Convective Available Potential Energy) ist durch die transparent rot gefärbte Fläche dargestellt. Die schwarzen Pfeile zeigen die Richtung und Geschwindigkeit des Windes (in Knoten).


Die ersten Gewitter bildeten sich gegen 15:45 Uhr Ortszeit über der Südwesthälfte von Luxemburg (Abb. 2, links). Anschließend verstärkten sich diese Gewitter und deren Böenfronten lösten neue konvektive Zellen unmittelbar an ihrer nordöstlichen Flanke aus (Abb. 2, links). Zwischen 16:30 und 16:50 Uhr Ortszeit entwickelte sich eine Nordwest-Südost ausgerichtete Gewitterlinie durch das Verschmelzen der einzelnen Kältepools der isolierten und langsam ziehenden Gewitter entlang der Windkonvergenzzone. Die Gewitterlinie verlagerte sich dann allmählich in eine nordöstliche Richtung und dabei wurde eine vorauslaufende Böenfront (engl. outflow boundary) gegen 17:00 Uhr Ortszeit auf den Radarbildern sichtbar (dünne, bogenförmige Linie mit sehr niedrigen Reflektivitäten in Abb. 2, links). Im weiteren Verlauf schwächte sich die Gewitteraktivität bis 18:00 Uhr Ortszeit zusehends ab, da die bodennahe Luft nordöstlich des Großherzogtums trockener und somit zu wenig Labilität vorhanden war.























Abbildung 2: Animation der Niederschlagsradarbilder (Reflektivität in dBZ) vom 26. Juni 2020 15:00 bis 18:00 Uhr Ortszeit (links). Animation der Niederschlagsradarbilder (vertikal integriertes Flüssigwasser in mm) vom 26. Juni 2020 14:59 bis 17:59 Uhr Ortszeit (rechts). Datenquelle: Niederschlagsradar des DWD in Neuheilenbach (Deutschland).


Stellenweise fielen die Gewitter jedoch unwetterartig aus, insbesondere bezüglich Hagel und Starkregenmengen. Diese Gewitterzellen besaßen hochreichend sehr starke Reflektivitäten, was sich in hohen Werten an vertikal integriertem Flüssigwasser (engl. vertically integrated liquid) widerspiegelte (> 45 mm; vgl. Abb. 2, rechts). Die intensivsten Gewitter traten westlich der Hauptstadt, nördlich vom Findel in der Region von Burglinster, nordöstlich von Ettelbrück in der Region von Bastendorf und nördlich von Wiltz in der Region von Wincrange auf (vgl. Abb. 2, rechts). Beispielweise wurden Hagelkörner mit einem Durchmesser von bis zu 3 cm in Merl und Bastendorf beobachtet. Zudem wurden ergiebige Regenmengen von Wetterstationen gemessen (> 30 l/m² pro Stunde), die den Messnetzen des Wetterdienstes der Verwaltung der technischen Dienststellen für Landwirtschaft (ASTA, AgriMeteo) und der Kachelmann Group angehören. Die Wetterstation in Wincrange, welche vom Wetterdienst der ASTA betrieben wird, registrierte eine Niederschlagsmenge von 58,3 l/m² zwischen 16:50 und 17:50 Uhr Ortszeit und davon fielen 45,3 l/m² innerhalb 20 Minuten! Die Daten des vom Deutschen Wetterdienst (DWD) entwickelten Analyseverfahrens RADOLAN zeigen sogar Signale mit stündlichen Niederschlagsmengen um 70 l/m² in der Region um Wincrange (Abb. 3, rechts). Entsprechend ereigneten sich dort Überschwemmungen. Diese extremen Niederschläge waren auf den hohen Feuchtegehalt der Atmosphäre (Gehalt an ausfällbarem Niederschlagswasser zwischen 30 und 35 mm), auf die schwache Höhenströmung und auf die stark ausgeprägte Labilität zurückzuführen.

Abbildung 3: Aufsummierte Niederschlagsmengen (in mm oder l/m²) von 15:50 bis 16:50 Uhr Ortszeit (links) und von 16:50 bis 17:50 Uhr Ortszeit (rechts). Datenquelle: RADOLAN (DWD).